hebräische Schrift

hebräische Schrift
hebräische Schrift,
 
die in der hebräischen und jiddischen Literatur gebrauchte Schrift.
 
 
Seit dem 11./10. Jahrhundert v. Chr. ist die heute noch bei den Samaritanern erhaltene kanaanäische (phönikisch-althebräische) Schrift des nordesemitischen Schriftenkreises nachweisbar, die die Juden mit der Landnahme übernahmen und deren Entwicklung anhand von Inschriften nachvollzogen werden kann. Ihr ältestes Denkmal ist der Bauernkalender von Gezer (2. Hälfte des 10. Jahrhunderts v. Chr.). Mit Tinte beschriebene Tonscherben aus Samaria (8. Jahrhundert v. Chr.), Arad (etwa 600 v. Chr.) und Lachisch (6. Jahrhundert v. Chr.) zeigen schon die flüchtigere Form der Zeichen auf Papyrus oder Tierhäuten. Ausgrabungen in Jerusalem förderten einen kurzen Bibeltext auf einer Silberlamelle, fragmentarische Inschriften und zahlreiche Siegelabdrucke zutage (8.-6. Jahrhundert v. Chr.); schon länger bekannt war eine Bauinschrift aus der Zeit des Königs Hiskia (»Siloah-Inschrift«, 700 v. Chr.). Nach der Babylonischen Gefangenschaft übernahmen die Juden neben der aramäischen Sprache auch ein aramäisches Alphabet, das ebenfalls von der phönikischen Schrift abgeleitet war und das man wegen der Herkunft als assyrische Schrift (ketab aschuri) bezeichnete. Die bis heute übliche Quadratschrift (ketab merubba), die seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. vorherrschte, wurde daraus entwickelt. Um die Grundform der Buchstaben zu erhalten, wurden die Unterlängen gewisser Buchstaben nach links umgebogen. Nur am Wortende blieben die alten Formen bewahrt. Der Name Gottes (Jahwe) wurde jedoch in den Quadratschrifttexten noch bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. hinein mit den altkanaanäischen Zeichen geschrieben. Auch auf den jüdischen Münzen vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. erscheinen die althebräischen Zeichen.
 
 
Die hebräische Schrift, ursprünglich nur mit 22 Konsonantenzeichen, wird von rechts nach links geschrieben. Seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. bemühte man sich, für den Synagogenvortrag die überlieferte Aussprache der Vokale durch Striche und Punkte über und unter den Buchstaben festzulegen. Unter den verschiedenen Systemen dieser Punktation hat sich schließlich das um 900 n. Chr. u. a. durch die Gelehrtenfamilie Ben Ascher in Tiberias entwickelte Tiberiensische System durchgesetzt, dem die meisten in Europa hergestellten Bibelhandschriften und alle Drucke folgen. Das Althebräische unterschied die Vokale rein nach ihrem qualitativen Lautwert, während die Masoreten (Masora) die Vokale quantitativ nach Länge und Kürze behandelten; diesem Prinzip folgt auch die heutige Aussprache.
 
Diese Vokalschreibung wurde vorwiegend für Bibeln, Gebetbücher, Gedichte und Kinderliteratur sowie für Sprachlehren verwendet, d. h. besonders dort, wo eine korrekte Lesung sichergestellt werden sollte. Für andere Zwecke wurde schon in der Zeit von Qumran der Gebrauch des Konsonanten Waw auch zur Schreibung von u und o sowie von Jod zur Schreibung von i (und e) stark erweitert. Diese »scriptio plena« wurde jedoch ohne feste Regeln gebraucht. Erst 1968 wurden durch einen Beschluss der israelischen Sprachakademie Vorschläge für verbindliche Regeln aufgestellt. Obwohl diese Orthographie a gar nicht (außer am Wortende) und e nur selten andeutet und für einen bedeutenden Prozentsatz der Wörter verschiedene Lesungen zulässt, ist sie in der Praxis durch den Satzzusammenhang gesichert und bietet dem geübten Leser meist keine Schwierigkeiten. - Jeder der 22 Konsonanten hat auch einen bestimmten Zahlenwert (Aleph 1, Bet 2 usw.).
 
Der Bibeltext ist außer mit den Vokalzeichen auch mit Akzenten versehen, die gleichzeitig als Interpunktion und als Musikzeichen für die Vorlesung dienen.
 
Die heute im Druck üblichen Formen der Quadratschrift sind die sephardische mit rundlichen Zeichen und die eckige aschkenasische Schrift. Neben der Quadratschrift wird auch noch in heutigen Drucken eine abgerundete Buchstabenform aus dem 11. Jahrhundert gebraucht, die besonders in Bibel- und Talmudkommentaren Anwendung findet und daher auch Raschi-Schrift heißt (Raschi). Daneben bestehen verschiedene moderne Schreibschriften. Neben dem Hebräischen wird bis heute auch eine Reihe nichtsemitischer Sprachen mit hebräischen Buchstaben geschrieben und gedruckt, z. B. das Jiddische und das Ladino.
 
 
S. A. Birnbaum: The Hebrew scripts, 3 Bde. (London 1954-71);
 J. Friedrich: Gesch. der Schrift (1966);
 H. Jensen: Die Schrift in Vergangenheit u. Gegenwart (31969, Nachdr. 1984);
 H. Donner u. W. Röllig: Kanaanäische u. aramäische Inschriften, 3 Bde. (3-41973-79);
 E. Würthwein: Der Text des A. T. Eine Einf. in die Biblia Hebraica (41973, Nachdr. 1984);
 G. R. Driver: Semitic writing from pictograph to alphabet (London 31976);
 F. Weinreb: Wunder der Zeichen, Wunder der Sprache (Bern 1979);
 J. Naveh: Early history of the alphabet (Jerusalem 1982);
 N. Avigad: Hebrew bullae from the time of Jeremiah (a. d. Hebr., Jerusalem 1986).

Universal-Lexikon. 2012.

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